Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

Nächste Sitzung

12. März, 19 Uhr

 

Zur Architektur

Eine ganz neue Bau- oder Entwurfsaufgabe gestellt zu bekommen und sich damit zum erstenmal zu beschäftigen, ist immer ein spannender und eher seltener Augenblick im Architekten-Arbeitsalltag. Vergleichbar vielleicht mit dem oft  zitierten Augenblick, in dem der Schriftsteller vor einem weißen Blatt Papier, ein Maler vor der leeren Leinwand sitzt, um seine Arbeit zu beginnen.

Ein wesentlicher Unterschied besteht aber doch, manchmal durchaus willkommen, oft auch als lästige Einschränkung empfunden: Subjektive und objektive Vorgaben des Auftraggebers, die es zu berücksichtigen gilt, und die Erfordernisse, die sich aus der örtlichen Situation des Bauplatzes ergeben. Eine objektive Vorgabe des Auftraggebers ist z. B. der gesteckte Finanzrahmen, örtliche Bindungen können sich aus der städtebaulichen oder topografischen Situation, durch einen Bebauungsplan oder den Denkmalschutz ergeben.

Nachdem man sich durch Lesen des Raumprogrammes, Sichtung der Planunterlagen, einen Besuch des Bauplatzes langsam an die Aufgabe herangetastet hat, entstehen im Kopf erste Formen und Zielvorstellungen, bis schließlich die ersten Skizzen zu Papier gebracht werden.

Bei der Planung für das evangelisch-lutherischen Gemeindezentrum in Wolnzach - zunächst bekanntlich für einen anderen Standort - sahen wir folgende Prioritäten:

- Der Kirchenraum sollte als Volumen gegenüber den übrigen Räumen deutlich in Erscheinung treten und seine Zweckbestimmung vom Betrachter auch erkannt werden.

- Den notwendigen Innenräumen sollte ein baulich gefasster Außenraum, für informelle Treffen vor und nach dem Gottesdienst und anderen Veranstaltungen zur Seite gestellt werden. Dieser Platz sollte Puffer sein zwischen der Straße und dem Eingang ins Gebäude als Schwelle zwischen dem Alltag mit seiner Hektik und den eher besinnlichen, dem Menschen und Gott zugewandten sozialen bzw. religiös terminierten Momenten des Lebens.

Dem steinernen, dem öffentlichen Raum zugewandten Platz sollte als Gegenpool ein grüner »privater« Garten gegenüber stehen.

- Bei der Konzeption der Gebäudevolumen sollte der finanziell zunächst nicht gesicherte und auch nicht unbedingt geforderte Glockenträger eine seinen visuellen Möglichkeiten als Turm adäquate Rolle spielen.

- Wegen der sehr engen finanziellen Grenzen sollten möglichst handwerklich einfache, alltägliche Baukonstruktionen zum Einsatz kommen, mit diesen auch einfach zu erfassende und damit prägnante geometrische, stereometrische Formen entstehen. Ziel war, mit diesem Vokabular die zu Gebote stehende Sparsamkeit als eine dem Protestantischen zugeeignete Tugend zum Ausdruck zu bringen und die Differenz zwischen dem Einfachen und dem Banalen spürbar zu machen.

- Es sollte ein Kirchenraum entstehen, dessen Reichtum und Spiritualität nicht durch den Einsatz kostbarer Materialien oder Dekorationen entsteht, sondern quasi kostenlos durch die Lichtführung Proportionen und »räumliche Differenz«.

- Funktional erschien uns wichtig: Der mögliche Zusammenschluss von Gruppenräumen und Kirchenraum, das Foyer als Verbindung zwischen Kirche und den wichtigsten Gemeinschaftsräumen, als Mittler zwischen den beiden Außenräumen Kirchplatz und Garten.

Mit diesem Zielkatalog im Gepäck machten wir uns an die Entwurfsarbeit. Natürlich ist dieser Weg nie geradlinig, manchmal rückläufig, mit Umwegen und Sackgassen, emotional mit Höhen, Tiefen und Unsicherheiten versehen. Am Ende schien uns eine gute Lösung zu Papier gebracht und die Gemeinde als Bauherr hat dies schließlich auch so gesehen.

Dass das gewählte Konzept so robust war, wie es sich später durch den von der Marktgemeinde ins Gespräch gebrachten Standortwechsel als nötig erweisen sollte, ahnte zu diesem Zeitpunkt wohl noch niemand. Wenige Änderungen genügten erstaunlicherweise, um aus dem ortsspezifisch entwickelten Entwurf ein Passstück für eine Lücke im städtebaulichen Gefüge am Rand des historischen Ortskernes zu machen. Gegenüber dem überörtlich bedeutsamen »Deutschen Hopfenmuseum« und in Sichtweite zur katholischen Kirche mit dem benachbarten Rathaus manifestiert die evangelische Gemeinde mit ihrem selbstbewusst und zeitgemäß in das historische Ortsbild eingefügten Neubau ihre Rolle im gesellschaftlichen und sozialen Leben des Marktes.

Wir hoffen, dass unsere dem architektonischen Entwurf zugrunde liegenden Gedanken und Wünsche und deren bauliche Umsetzung den Menschen, denen das Haus über Generationen dienen soll, gerecht wird.

Mögen sowohl die alltäglichen als auch die jahreszeitlich und lebenszyklisch geprägten Ereignisse sich positiv mit dem architektonischen Umfeld verbinden.

Günter Forster
Architekten Claus+Forster: Festschrift zur “Einweihung der evangelisch-lutherischen Auferstehungskirche“, Pfaffenhofen: 2008

Cookie-Regelung

Diese Website verwendet Cookies, zum Speichern von Informationen auf Ihrem Computer.

Stimmen Sie dem zu?